Interreligiöser Kongress Astana 2025, Religionsführer sitzen um einen runden Tisch
„Das Wichtigste passiert beim Lunch“

Kongress der Weltreligionen in Astana endet mit Deklaration

Astana  ‐ Aus dem kasachischen Astana senden die Religionen eine Botschaft an die Welt: Die Menschheit kann ihre Probleme lösen und eine Familie sein, wenn sie gemeinsame Grundwerte vertritt. Mehr als hehre Worte und edle Ziele?

Erstellt: 20.09.2025
Aktualisiert: 19.09.2025
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Von Christoph Schmidt (KNA)

Manchmal werden Utopien wahr, und eine davon ist Astana. Noch keine 30 Jahre steht Kasachstans Planhauptstadt mitten in der zentralasiatischen Steppe, und noch immer wird überall gebaut. Mit ihrem Mix aus futuristischen Hochhäusern und Prunkbauten, kilometerlangen Achsen und Prachtmoscheen im historischen Stil hat die Metropole etwas Fantastisches.

Seit den autoritären Anfängen unter dem damaligen Präsidenten Nursultan Nasarbajew haben kasachische Aufbruchsstimmung und internationale Architekturbüros hier, auch dank der Milliarden aus den kaspischen Öl- und Gasvorkommen, eine Art Vorzeigeprojekt der Weltzivilisation verwirklicht. Bereits zum achten Mal trafen sich vor dieser Kulisse von Mittwoch bis Donnerstag hunderte oft hochrangige Religionsvertreter aus der ganzen Welt zum „Kongress der Führer der Welt- und traditionellen Religionen“. Auf Einladung der kasachischen Regierung sprachen sie über globale Herausforderungen und Krisen sowie die Rolle des interreligiösen Austauschs. Das Motto: „Dialog der Religionen: Synergie für die Zukunft“.

Christen und Muslime, Juden und Hindus, Buddhisten und Taoisten aus 60 Ländern um einen riesigen runden Tisch im Unabhängigkeitspalast von Astana versammelt - ergibt das am Ende mehr als ein Gruppenfoto für den Weltfrieden? Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew jedenfalls sprach in seiner Begrüßungsrede von einer einzigartigen Plattform angesichts der Bedrohung durch den Klimawandel, wachsender ideologischer Gegensätze und geopolitischer Spannungen auf dem Planeten, bis hin zur Gefahr eines Atomkriegs. Dagegen könnten die Religionen das Beispiel einer „Einheit in Vielfalt“ unter dem Banner des Humanismus und friedlicher Koexistenz geben.

Dafür stehe auch sein eigenes Land mit seinen vielen Ethnien und Glaubensgemeinschaften, betonte Tokajew. Seit Vorgänger Nasarbajew 2003 den Kongress der Führer der Welt- und traditionellen Religionen als Antwort auf die Anschläge vom 11. September 2001 begründete, dient die Konferenz alle drei Jahre dem kasachischen Staat immer auch als Weltbühne. Inzwischen legt die frühere Sowjetrepublik ein hohes Modernisierungstempo vor und hat liberale Reformen eingeleitet. Außenpolitisch versteht sich Kasachstan als ausgleichender Akteur zwischen den Großmächten.

Flankiert wurde Tokajew bei seiner Rede vom Moskauer Patriarchen Kyrill I. und dem Generalsekretär der Islamischen Weltliga, Mohammad bin Abdulkarim al-Issa: 70 Prozent der Kasachen sind sunnitische Muslime, die Christen im Land überwiegend russisch-orthodox. Während der Putin-Vertraute Kyrill in seiner Ansprache den Ukraine-Krieg nicht erwähnte, prangerte der Saudi Israels Kriegführung in Gaza an: „Der Völkermord und die systematische kriminelle Hungersnot sind eine Schande der Menschheit.“ Kein muslimischer Redner von der Türkei bis Pakistan verzichtete anschließend auf eine Verurteilung Israels.

Mehr als Symbolik?

„Dieser Krieg ist kein religiöser Krieg“, stellte der Präsident des israelischen Oberrabbinatsrats, Kalman Meir Ber, klar. Das Judentum wolle keine Feindschaft mit anderen Religionen. Eine Grußbotschaft von Papst Leo XIV., verlesen vom Leiter der vatikanischen Dialog-Behörde, Kardinal George Jacob Koovakad, betonte das Verbindende aller Religionen: Die Teilnehmer in Astana eine der Wunsch, „unserer zerbrochenen und verwundeten Welt Heilung zu bringen“. Glaube müsse immer eine Kraft für Versöhnung sein. Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres war mit einer Videobotschaft vertreten.

Bei einem „Forum junger religiöser Führer“ am Donnerstag beschworen Vertreter aller Religionen diesen Geist der Solidarität, der gemeinsamen Werte und Verantwortung für die Geschicke der Menschheit trotz aller Unterschiede. Sie wandten sich gegen jeden Extremismus und betonten den gegenseitigen Respekt. Derweil pflanzten geistliche Autoritäten neben dem Kongresszentrum mehrere Bäume als Hoffnungszeichen für die Zukunft.

Oft genug hat der Streit zwischen Religionen selbst blutige Konflikte angeheizt. Im eher a-religiösen Westen gelten sie vielen als Ballast für den globalen Frieden. Für die anglikanische Bischöfin Jo Bailey Wells, eine der wenigen Frauen am runden Tisch, steckt hinter dem Treffen in Astana aber mehr als hehre Symbolik für edle Ziele. „Das Wichtigste passiert sowieso beim Lunch und drumherum: die persönliche Begegnung und das Knüpfen von Bekanntschaften mit Menschen, die man sonst nie kennenlernen würde“, sagte die stellvertretende Generalsekretärin der Anglikanischen Gemeinschaft der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Daraus entstünden sehr wohl Impulse für das gegenseitige Verständnis der Religionen, ist die Britin überzeugt.

Aus Deutschland war Michael Hübner schon zum dritten Mal nach Astana gereist. Als Generalsekretär des Martin-Luther-Bundes ist er zuständig für lutherische Diaspora-Gemeinden, viele in der ehemaligen Sowjetunion. Auch er setze auf neue Kontakte, berichtete er KNA.

Wie in früheren Jahren endete der VIII. Kongress der Führer der Welt- und traditionellen Religionen mit einer Abschluss-Deklaration. In ihren 34 Artikeln bekennen sich die Delegierten zu den „fundamentalen Menschenrechten“. Sie zeigen sich unter anderem besorgt über eine stockende Umsetzung der UN-Entwicklungsziele und der internationalen Zusammenarbeit gegen den Klimawandel. Einen Schwerpunkt legt die Erklärung auf neue Gefahren für den Menschen durch den Missbrauch künstlicher Intelligenz. Zudem fordert das Dokument den Schutz von Minderheiten und Flüchtlingen. Und in recht allgemeiner Form geht es darin auch um die Teilhabe von Frauen. Die Deklaration soll nun der UN-Vollversammlung übergeben werden.

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