Franz-Josef Overbeck, Bischof von Essen, am 22. Oktober 2024 bei einer Pressekonferenz während der Weltsynode im Vatikan.
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Jahrestagung der katholischen Militärseelsorgerinnen und Militärseelsorger

Militärbischof: Unruhe nimmt zu – kirchliche Expertise gefragter

Berlin  ‐ Der Ukraine-Krieg hat alles verändert. Soldaten und Angehörige spüren laut Bischof Franz-Josef Overbeck eine neue große Unsicherheit. Was das für Militärseelsorge und Politik bedeutet.

Erstellt: 12.10.2025
Aktualisiert: 10.10.2025
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Der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck beobachtet eine „neue große Unruhe“ unter den deutschen Soldaten und ihren Angehörigen. Zugleich ist die Kirche in ethischen Fragen aus seiner Sicht ein zunehmend gesuchter Gesprächspartner. „Die Weltlage hat sich seit dem Ukraine-Krieg komplett verändert. Krieg und Frieden ist ein Mega-Thema geworden“, sagte Overbeck der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Mittwoch in Berlin. „Darauf müssen wir sowohl seelsorglich als auch mit ethischer Expertise reagieren.“

Er nehme auch ein verstärktes Interesse der Politik an der Perspektive der Kirche in diesen Fragen wahr, so der Essener Bischof: „Wir diskutieren das auch mit Verteidigungsminister Boris Pistorius.“ Der sogenannte Operationsplan Deutschland zur Aufrechterhaltung der Verteidigungsfähigkeit des Landes im Angriffsfall fordere die Militärseelsorge ganz neu heraus. „Das betrifft einmal die Betreuung der Soldatinnen und Soldaten, aber auch ihrer Angehörigen. Zugleich müssten wir meines Erachtens früher und stärker in den Informationsfluss der Entscheidungsträger eingebunden werden, um bei oftmals hochkomplexen ethischen Fragestellungen unmittelbar unsere Einschätzung geben zu können.“

Ihm sei bei der aktuell in Berlin stattfindenden Jahrestagung der katholischen Militärseelsorgerinnen und Militärseelsorger wichtig, „dass wir noch mal theologisch reflektieren, was es etwa bedeutet, dass man in kriegerischen oder kriegsähnlichen Zusammenhängen das Recht wahrt.“ Bei der Tagung tauschen sich den Angaben zufolge knapp 200 Teilnehmende über neue Herausforderungen im Zuge der „Zeitenwende“ seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine aus.

Overbeck betonte zudem: „Was ich jetzt mehr wahrnehme als seinerzeit beim Afghanistan-Einsatz: In Deutschland steigt die Wertschätzung für unsere Soldatinnen und Soldaten vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine. Aber eben auch die Angst vor den Konsequenzen eines möglichen Einsatzes, bei dem es natürlich Tote geben kann. Das Ganze ist viel näher gerückt, realistisch näher.“ Nicht erst US-Präsident Donald Trump habe darauf hingewiesen, dass Europäer eine wichtigere Aufgabe als bisher bei der Verteidigung der Freiheit in Europa übernehmen müssten.

„In der Gesamtbevölkerung ist das Verständnis dafür gewachsen, dass wir nicht um des Kämpfens willen kämpfen, sondern dass es ein Verteidigungsauftrag ist, der mit Recht, Gerechtigkeit, Demokratie und Menschenwürde zu tun hat“, stellte Overbeck fest. „Es geht um die Verteidigung unseres Wertesystems, aber auch unseres politischen und wirtschaftlichen Systems.“

KNA

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