Eine Kerze im Vordergrund, im Hintergrund sind menschliche Überreste (Knochen/Gebeine/Schädel) zu erahnen
Kritik an der Bundesregierung

Handel mit menschlichen Überresten hält auch in Deutschland an

Berlin  ‐ „Makaber und völlig verantwortungslos“: Noch heute wird mit menschlichen Gebeinen aus der Kolonialzeit gehandelt. Die Bundesregierung beobachtet die Entwicklung, doch andere Politiker fordern rasches Handeln.

Erstellt: 22.08.2025
Aktualisiert: 03.09.2025
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Der Handel mit menschlichen Überresten wird offenbar vorerst nicht ausdrücklich verboten. Die Bundesregierung beobachte Entwicklungen in diesem Bereich aufmerksam und „würde, sofern erforderlich, Maßnahmen ergreifen“: So zitiert der „Tagesspiegel“ (Mittwoch) aus Antworten auf eine Kleine Anfrage der Grünen, die der Zeitung vorliegen. Im Vorjahr hatte die damalige Staatsministerin im Auswärtigen Amt entsprechende Maßnahmen angekündigt.

Dass die Bundesregierung nun von dieser Linie abrücke, stößt auf Kritik. Der Schutz der Menschenwürde ende nicht mit dem Tod, sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Awet Tesfaiesus, die die Anfrage gestellt hat, der Zeitung. Deutschland sei verpflichtet, menschliche Gebeine als Ausdruck von Respekt gegenüber den Betroffenen zu schützen. „Wir fordern daher eine umfassende Bestandsaufnahme sowie klare gesetzliche Regelungen, die die Würde der Verstorbenen und ihrer Nachfahren sicherstellen.“

Der Namibia-Sondergesandte der Bundesregierung, Ruprecht Polenz (CDU), zeigte sich erschüttert darüber, dass mit menschlichen Gebeinen offenbar weiterhin Handel im Netz getrieben wird. „Ich finde das makaber, dekadent und völlig verantwortungslos.“

Polenz kritisierte auch die Haltung der Bundesregierung. „Die Antwort der Bundesregierung finde ich unbefriedigend. Dieser Handel muss unterbunden werden“. Und weiter: „Man kann nicht sagen, man beobachtet das und greift dann vielleicht irgendwann mal ein. Wenn es rechtliche Schlupflöcher geben sollte, dann müssen diese sofort geschlossen werden.“

Zuletzt hatte es für Kritik gesorgt, dass die Bundesregierung Wiedergutmachungszahlungen ablehnt. Die Aufarbeitung der Kolonialzeit solle indes vorangetrieben werden. Namibia war zwischen 1884 und 1915 deutsche Kolonie. Viele der Gebeine stammen von Opfern der deutschen Kolonialherrschaft, insbesondere der Völkermorde an Herero und Nama. Sie wurden einst für pseudowissenschaftliche Forschungen nach Deutschland gebracht.

Laut einer Umfrage der Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland, die 2023 im Auftrag von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden durchgeführt wurde, befinden sich allein in den 33 wichtigsten Museen und Sammlungen ca. 17.000 menschliche Überreste aus kolonialen Kontexten. Allerdings sind nur etwas mehr als die Hälfte davon geografisch zuordnenbar. Davon wiederum kommen rund 71 Prozent aus Afrika und Ozeanien, allerdings gibt es nach Angaben der Kontaktstelle zuordnenbare menschliche Überreste aus allen Weltregionen.

KNA

03.09.2025: Zahlen der Kontaktstelle hinzugefügt /dr

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