Adveniat-Chef Pater Martin Maier JS, Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat
„Unser Lebensstil ist nicht länger vertretbar“

Adveniat-Chef Maier: Weltklimakonferenz braucht konkrete Ergebnisse

Essen/Belém ‐ Die Weltklimakonferenz tagt am Amazonas - dort, wo Klimawandel mit Händen zu greifen ist. Adveniat-Chef Maier fordert radikale Veränderungen im Lebensstil gegen den Klima-Crash – etwa weniger Konsum, Müll und Fleisch.

Erstellt: 09.11.2025
Aktualisiert: 07.11.2025
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Von Gottfried Bohl (KNA)

Vom 10. bis zum 21. November steht die 30. Weltklimakonferenz (COP30) an – diesmal in Belém in Brasilien, mitten im Amazonasgebiet. Passend dazu hat das deutsche katholische Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat seine traditionelle Weihnachtsaktion unter das Motto „Rettet unsere Welt – Zukunft Amazonas“ gestellt. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur erklärt Hauptgeschäftsführer Martin Maier die Hintergründe der Aktion und beschreibt seine Erwartungen an die Weltklimakonferenz.

Frage: Pater Maier, das Leitwort der Adveniat-Aktion heißt „Rettet unsere Welt - Zukunft Amazonas“? Was steckt dahinter?

Pater Martin Maier: Wir kämpfen seit langem mit unseren Partnerinnen und Partnern vor Ort für den Schutz der Regenwälder und für die Rechte der indigenen Völker am Amazonas. Denn dort steht das Überleben unseres Planeten auf dem Spiel. Darum geht es in unserer aktuellen Aktion.

Frage: Wie geht es den Menschen vor Ort?

Maier: Im Amazonasgebiet leben etwa 3 Millionen Indigene. Die radikale Abholzung des Regenwalds, rücksichtslose Rohstoffausbeutung und die Erdölförderung zerstören ihre Lebensgrundlagen. Gerade wieder wurden - entgegen jeder Vernunft und aller vorherigen Bekundungen - neue Ölbohrungen an der Amazonas-Mündung erlaubt. Das ist ein ganz schlechtes Signal, gerade mit Blick auf die anstehende Weltklimakonferenz COP30...

Frage: ... die ja ab dem 10. November genau in dieser Region stattfindet – im brasilianischen Belém. Was erwarten Sie von diesem Tagungsort, auch im Vergleich zu den letzten?

Maier: Anders als in Baku und Dubai mit abgeschotteten Konferenzhotels gibt es hier die unmittelbare Nähe zur Region und zum Thema – was hoffentlich das Bewusstsein der Teilnehmenden schärft. Neben einer Zivilgesellschaft, die sich Gehör verschaffen wird, sehen sie die weitläufigen grünen Wälder, aber auch die Zerstörung. Der Ort macht zumindest Hoffnung, dass Umweltschutz und Wertschätzung der Natur Priorität haben. Außerdem haben die Indigenen dort selbst eine Stimme, vor allem beim parallel stattfindenden „Gipfel der Völker“, an dem sich auch die Kirchen beteiligen – nicht zuletzt eine Abordnung des Vatikans und die Hilfswerke Adveniat und Misereor aus Deutschland.

COP30 Amazonia (COP30 Amazonien) steht am 16. Oktober 2025 auf einem Schild an einer Straße in Belém (Brasilien), ein Fahrradfahrer fährt vorbei.
Bild: © Tobias Käufer/KNA

Die Vorbereitungen in Belém laufen auf Hochtouren

Frage: Was erwarten Sie von der COP30?

Maier: Verbindliche CO2-Reduktionsziele und einen verbindlichen Ausstieg aus den fossilen Energien. Außerdem die Umsetzung beschlossener Finanzzusagen: In Baku wurde ja vereinbart, dass die reichen Länder ihre jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klimaanpassung und ökologische Transformation in ärmeren Staaten bis 2035 auf 300 Milliarden US-Dollar aufstocken werden. Aber auch bei den internationalen Abgaben, etwa für den Flugverkehr, muss es endlich Fortschritte geben.

Frage: Und was erwarten Sie von der deutschen Regierung bei der Konferenz?

Maier: Dass sie ihre Klima- und Finanzzusagen einhält, eine Vorreiterrolle übernimmt und als verlässlicher Partner in Lateinamerika – und weltweit – wahrgenommen wird.

Frage: Welche Verantwortung trägt denn Deutschland beim Ressourcenverbrauch und bei dessen Auswirkungen auf den Amazonas und auf das Weltklima insgesamt?

Maier: Es ist völlig klar: Unser Lebensstil ist nicht länger vertretbar, weil er nicht universalisierbar ist – worauf ja auch Papst Franziskus immer wieder hingewiesen hat, vor allem in der Enzyklika „Laudato si“. Gerechtigkeit im globalen Rahmen bedeutet, dass jeder Mensch das gleiche Recht auf die natürlichen Ressourcen und auf Energieverbrauch hat und dass auch die ökologischen Folgekosten annähernd gleich verteilt sein müssen.

Daraus folgt: Wir müssen unseren Lebensstil ändern und zum Beispiel weniger Öl und Gas verbrauchen, weniger Müll verursachen und weniger Fleisch essen. Denn die Länder des Nordens tragen die Hauptverantwortung für den Ausstoß von Treibhausgasen, während die Länder des Südens am stärksten darunter leiden. Diese Zusammenhänge wollen wir auch bei der bundesweiten Adveniat-Weihnachtsaktion im Advent herausstellen.

Gabriel da Silva (26) an einem abgebrannten Baum, Brandrodung in direkter NAchbarschaft der Mura-Gemeinde Lago de Soares
Bild: © Florian Kopp/Adveniat

Gabriel da Silva (26) begutachtet die Folgen von Brandrodung in direkter Nachbarschaft der Mura-Gemeinde Lago de Soares.

Frage: Jetzt sagen manche, Kirche sei viel zu politisch und solle den Glauben vermitteln, aber nicht über Tempolimit, Fleischkonsum und Klimaschutz predigen. Wie sehen Sie das?

Maier: Diese Haltung ist falsch. Ökologische Verantwortung, soziale Gerechtigkeit und Glaube gehören untrennbar zusammen. Die Option für die Armen steht im Zentrum unseres Glaubens, wie auch das neue gemeinsame Schreiben „Dilexi te“ der Päpste Franziskus und Leo XIV. zeigt. Kirche hat eine in der Bibel und im Glauben begründete Verpflichtung, sich für diese Themen einzusetzen.

Frage: Wie helfen Ihre Partnerorganisationen vor Ort denn konkret den Menschen am Amazonas?

Maier: Auf vielen Wegen. Das eine ist die juristische Unterstützung – etwa im Kampf gegen die Regierungen und die Ölkonzerne. Dazu gehört die mediale Öffentlichkeitsarbeit – etwa über kirchliche Rundfunksender. Aber wir fördern auch Projekte nachhaltiger Wirtschaft wie zum Beispiel die Casa Amazônica, das Amazonas-Haus von Schwester Elis dos Santos, die auch unser Gast bei der Aktion sein wird. Dort gibt es unter anderem Gemeinschaftsgärten mit ökologischem Gemüseanbau. Außerdem werden nachhaltige Seife und pflanzliche Medizin produziert. Solche und viele andere Initiativen zeigen, dass man auch im Einklang mit der Natur wirtschaften und den Menschen den Lebensunterhalt sichern kann – und auch, dass fairer Handel möglich ist mit gerechten Preisen und Löhnen.

Frage: Wann ist die COP30 ein Erfolg?

Maier: Wenn verbindliche Vereinbarungen getroffen werden, um CO2-Emissionen zu senken, den Ausstieg aus fossilen Energieträgern einzuleiten und die erforderlichen Gelder für die Klimafinanzierung der armen Länder des Südens bereitzustellen.

Frage: Und wann ist die Adveniat-Aktion ein Erfolg?

Maier: Wenn wir in Deutschland das Bewusstsein stärken, dass der Amazonas lebenswichtig für alle ist, der es auch wert ist, dass wir unseren Lebensstil ändern. Und wenn wir mit den Spenden aus Deutschland in den Weihnachtsgottesdiensten die Arbeit für die Armen in Lateinamerika und der Karibik noch besser unterstützen können.

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